30.03.2020
Haushaltsrede 2020
Statement der Fraktion im Gemeinderat
Rede zum Haushalt 2020
CDU/FWG & FDP-Fraktion
Marlies Bliss, Jörg Bliss, Stefan Durban, Matthias Frei, Annette Fritsch-Acar, Yannick Kalupke, Gerd Körber, Rolf Mannßhardt, Robert Reifschneider, Frank Schadt, Reinhold Schmidt
(gehalten von Annette Fritsch-Acar, Fraktionsvorsitzende)
in der Sitzung des Gemeinderats am 11.03.2020
(Es gilt das gesprochene Wort)
Rede zum Haushalt 2020 der CDU/FWG & FDP-Fraktion
Sehr geehrter Herr Bürgermeister Welsche, sehr geehrte Herren Amtsleiter, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren,
die Verabschiedung des Haushalts 2020 birgt keine großen Überraschungen. Das Haushaltsjahr hat bereits begonnen und entsprechend wurde über sämtliche Ausgaben, Projekte und Investitionen schon ausführlich beraten.
Verabschiedet wird dieser Haushalt von dem Gemeinderat, der seit Juli letzten Jahres im Amt ist. Wichtige Weichen wurden jedoch schon von dem Vorgängergremium gestellt. Deshalb bedanken wir uns bei allen Kolleginnen und Kollegen, die dem neuen Rat nicht mehr angehören. Gleichzeitig danken wir den Kandidatinnen und Kandidaten aus allen Ortschaften, die sich zur Wahl gestellt, Interesse an der Kommunalpolitik gezeigt und damit einen wichtigen Beitrag zu einer lebendigen Demokratie in unserer Stadt geleistet haben.
Auf der Grundlage der Arbeit unserer Vorgänger und mit den Impulsen des neuen Rats wurde der Handlungsleitfaden für Verwaltung und Gemeinderat – der vorliegende Haushaltsplan - verhandelt.
Zur Demokratie gehören kontroverse Diskussionen. Als Lenkungsorgan unserer Stadt ist es unsere Aufgabe um die besten Ergebnisse für unsere Bürgerinnen und Bürger zu ringen, Ziele zu definieren und die Richtung vorzugeben. Die Verwaltung ist keine Regierung und wir sind kein Kontrollorgan. Wir tragen als Teil der Verwaltung die Verantwortung für alle Entscheidungen in vollem Umfang.
Aus dieser Verantwortung heraus, steht die Frage nach der Zukunft unserer Stadt immer über unserem Handeln und beschäftigt uns in jeder Sitzung. Dabei gibt es selbstverständlich auch unterschiedliche Haltungen und Interessen, mit denen wir uns offen beschäftigen müssen. Nur so können wir der Aufgabe gerecht werden, unsere neun einzigartigen Ortsteile zu einer attraktiven Stadt, zu einem Rheinau des Miteinanders, zu gestalten.
Wir stehen vor großen Aufgaben und vor anspruchsvollen Haushaltsjahren. Alleine für das Jahr 2020 ergibt sich ein Defizit zwischen Aufwendungen und Erträgen von etwa 2 Millionen Euro. Gleichzeitig sinkt der Liquiditätsbestand, so dass wir den Haushaltsausgleich nur aufgrund der Rücklagen der vergangenen Jahre schaffen. Dass die Gewerbesteuer das hohe Niveau der Vorjahre nicht erreicht, war durch die Abkühlung der Konjunktur und die hohen Investitionen der Unternehmer in der Niedrigzinsphase zu erwarten.
Im Finanzplanungszeitraum werden weitere 17,3 Millionen Euro investiert. Ein Großteil dieser Beträge fließt in unsere Kindergärten und Schulen und in Erhaltungsmaßnahmen. Hier haben wir bewusst Prioritäten gesetzt. Nur aufgrund dieser Investitionen in Zukunftswerte ist das Aussetzen der Einzahlungen in den Zukunftsfond vertretbar.
Bei der Aufstellung dieses Haushalts hat sowohl die Gesamtstadt als auch jeder Ortsteil Abstriche gemacht, einige Projekte wurden zurückgestellt, auf manches wurde verzichtet.
Die Haushaltsstrukturkommission wurde bereits tätig. Gemeinsam loten wir die Möglichkeiten aus, wie der Haushalt künftig wieder im laufenden Jahr ausgeglichen und Kredite weiterhin vermieden werden können. Wir arbeiten daran, dass die Defizite von heute nicht die Steuern von morgen werden.
Etwas Hoffnung machte Anfang des Jahres noch die Prognose des IWF, wonach die globale Konjunktur aufgrund der Entspannung im Handelsstreit 2020 deutlich positiver ausfallen sollte als 2019.
Das war allerdings bevor das Corona-Virus das Gesundheitssystem und die Wirtschaft mit voller Wucht traf. Die Folgen dieser Pandemie werden Europa, Deutschland und damit selbstverständlich auch Rheinau treffen. Es bleibt zu hoffen, dass Finanzminister Olaf Scholz recht behält und die Staatsfinanzen ausreichend solide sind, um bei einer Konjunkturkrise gegensteuern zu können. Es bleibt auch zu hoffen, dass diese Maßnahmen geeignet sind, um betroffene kleine und mittlere Unternehmen zu stabilisieren.
Ein weiterer Risikofaktor der kommenden Haushalte stellt die Kreisumlage dar. Bei der Einbringung des Haushalts hat die Verwaltung darauf verzichtet eine erhöhte Kreisumlage einzustellen. Der Finanzausschuss hat sich dann aufgrund der sich abzeichnenden Entwicklung dazu entschlossen, die Mehrbelastung schon zu berücksichtigen, auch wenn die Gesamtsituation noch ungewiss ist.
Derzeit ist völlig offen, welche Auswirkungen die Agenda 2030 für die medizinische Versorgung der Rheinauer tatsächlich haben wird. Hoffen können wir nur, dass das Land das 4-Häuser-Modell mitträgt und wir letztlich nicht noch um den Krankenhausstandort Achern bangen müssen. Abzuwarten bleibt auch in welchem Maß die Ortenauer Kommunen durch die weiteren Kreisinvestitionen, wie die Förderung der neuen Messehalle in Offenburg, das Kinzigtalbad oder den Neubau des Landratsamtsgebäudes noch belastet werden.
Die Einsicht der Landesregierung, dass Städte mit viel Fläche und wenig Einwohnern einen erhöhten Aufwand haben, wird sich künftig mit etwa 100.000 Euro Mehreinnahmen pro Jahr bemerkbar machen.
Zu kritisieren ist jedoch, dass Bund und Land die Kommunen mit immer mehr Aufgaben belasten, ohne für eine ausreichende finanzielle Ausstattung zu sorgen. Das spüren wir bereits im Bereich der Kinderbetreuung, aber auch bei der Schulausstattung und -sanierung und künftig wohl auch beim Anspruch auf Ganztagsbetreuung in den Grundschulen.
Eine Förderung, die zum Teil sogar zu Lasten der allgemeinen kommunalen Investitionspauschale geht, ist zur dauerhaften Erfüllung der wichtigen städtischen Aufgaben nicht ausreichend.
Durch dieses Vorgehen des Landes wird das Konnexitätsprinzip, also der Grundsatz „wer bestellt, bezahlt“ verletzt und ein Stück weit in die Kommunale Selbstverwaltungsgarantie eingegriffen.
Vom Land, das derzeit über Rekordeinnahmen verfügt und sich großzügige Förderungen in Milliardenprojekte wie die Staatsoper in Stuttgart erlaubt, wünschen wir uns eine andere Prioritätensetzung.
Den Vorgaben von Land und Bund ist weitgehend auch die Erhöhung der Personalkosten um weitere 5 Prozent geschuldet. Die Entwicklung betrachten wir mit Sorge, wenn wir auch gleichzeitig die Leistungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadt Rheinau zu schätzen wissen.
Auch wir sollten uns unsere Fürsorgepflicht für das Personal bewusst machen und über die Haushaltsansätze für Mitarbeitermotivation, Zulagen und Maßnahmen zur Gesundheitsprävention hinaus das ein oder andere Mal überlegen, ob wir nicht weniger Parallelprojekte angehen und somit die Belastung für die Mitarbeiter reduzieren könnten.
Eine der im Stellenplan 2020 neu ausgewiesenen Posten geht auf unseren Antrag zurück: Die Einrichtung des Kommunalen Ordnungsdiensts. Wir sehen es als unsere Verantwortung an, dafür zu sorgen, dass Regeln eingehalten und Verletzungen notfalls geahndet werden können. Das bloße Aufstellen von Schildern ohne jegliche Überwachung stellt letztlich nicht mehr als eine höfliche Bitte dar.
Gemeinsam mit den aktiven Ortsgremien und unter Einbeziehung des Jugendgemeinderats und des Seniorenrats wird es uns auch bei einer weniger komfortablen Haushaltslage gelingen unsere Hausaufgaben zu machen und unsere Stadt entsprechend den gesellschaftlichen Prioritäten weiterzuentwickeln. Die Rheinauer Struktur mit ihren unterschiedlichen Gremien ermöglicht uns eine echte Partizipation von Bürgern, die die Bedürfnisse vor Ort und die der entsprechenden Generationen kennen. Selbstverständlich schlagen sich diese Garanten für Basisdemokratie auch auf der Ausgabenseite des Haushalts nieder. Gut abgestimmte und durchdachte Entscheidungen sind diesen Preis wert.
Ausgezahlt haben sich auch die Anstrengungen in Bezug auf die Entwicklung des Wohngebiets Neuländ II, das wir nun endlich auf den Weg bringen konnten. Wir freuen uns, dass in Rheinaus größtem Ortsteil bald wieder Wohnraum für alle Generationen und für verschiedene Bedürfnisse angeboten werden kann.
Kritisch hat unsere Fraktion die konkreten Festsetzungen im gesamten Plangebiet Rheinau-Mitte gesehen. Der im Finanzausschuss gefundene Kompromiss beruhigt uns. Demnach soll der Bauabschnitt 1 mit Gewerbe- und Wohnbebauung, Feuerwehr und Bauhof kurzfristig entwickelt werden. Die Bauabschnitte 2 und 3, also Sportstätten und RheinauKarree, sollen entgegen des ursprünglichen Plans nicht detailliert ausgewiesen werden. Das gibt uns die Möglichkeit die konkreten Ziele des Projekts nochmal zu definieren oder aber die Ausgestaltung unseren Nachfolgern mit der gebotenen Freiheit zu überlassen.
Gerungen wurde ein weiteres Mal um die Ausgaben für die Sanierung des Rheinauer Hallenbads in Honau. Kaum eine Investition wurde so oft und intensiv diskutiert. Aus unserer Sicht gehört es jedoch auch zur intergenerativen Gerechtigkeit mit den Errungenschaften und Leistungen unserer Vorgänger respektvoll umzugehen.
Aus den selben Gründen haben wir uns für die Prüfung einer Folgenutzung des Gebäudes der ehemaligen Pestalozzischule ausgesprochen. Wir könnten uns hier eine generationsübergreifende Nutzung aus Kleinkindbetreuung und Tagespflege für Senioren vorstellen. Auf die Anregungen des Ortschaftsrats Memprechtshofen und auf die Prüfergebnisse der Verwaltung freuen wir uns.
Herausforderungen für künftige Haushalte stellen die Themen Klimaschutz, demographischer Wandel und Digitalisierung dar.
Wir können uns über Greta Thunberg lustig machen und die Jugendlichen als „Schulschwänzer“ abtun. All das ändert aber nichts daran, dass der Klimawandel und seine Auswirkungen auch von uns Gegenmaßnahmen erfordern, die möglicherweise unsere Lebensweise verändern werden. Meteorologen sagen für 2020 einen weiteren Hitzerekord voraus - den Klimawandel zu leugnen, ist daher keine Option.
Symbolpolitik wird uns aber nicht weiterbringen. Es bedarf guter Konzepte für Nachhaltigkeit im ökologischen und ökonomischen Sinn. In diesem Zusammenhang wiederholen wir unsere Forderung, das geplanten Kiesabbaukonzept anzugehen.
Während wir über Klimaschutz diskutieren, treiben wir die Digitalisierung – nicht nur im Bereich der Schulen – voran. Der Digitale Datenstrom verbraucht aber eben auch sehr viel Energie. Im Haushalt sind schon dieses Jahr in erheblichem Umfang hierfür Mehrkosten eingeplant.
Klimaschutz und Digitalisierung können wir nicht völlig getrennt voneinander behandeln. Diesen Aufgaben misst der Gemeinderat einen hohen Wert bei und hat deshalb den Arbeitskreis Klimaschutz gegründet. Wir freuen uns auf die gemeinsame Erarbeitung sinnvoller Ansätze und hoffen, dass wir zusammen mit den Nachbarkommunen im Ortenaukreis auch beim Thema Mobilität gute Lösungen finden werden.
Neben Datenleitungen und Geräten ist bei der Umstellung aber auch auf eine menschenorientierte Digitalisierung zu achten. Hierzu gehört, dass die Technik einen Mehrwert für die Menschen bietet, z.B. dass individuelle Lernfortschritte erfasst und ausgewertet werden können und nicht nur „blättern“ durch „wischen“ ersetzt wird. Diese Aufgabe ist anspruchsvoll und wird Pädagogen, Eltern und Schüler fordern. Die Ausgaben für die städtische Jugendarbeit und die sozialpädagogische Unterstützung unserer Schulen sind daher gut angelegt.
75 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz und 30 Jahre nach der Wiedervereinigung ist unser soziales Gefüge wieder fragil. Der geistige Nährboden für Hass, Diskriminierung und Ausgrenzung und für die Verrohung der Sprache wird auch durch Politiker begünstigt. Das gefährdet die innere Sicherheit. Die Anschläge von Halle und Hanau sind nur Beispiele. Deshalb sind alle Menschen mit Herz und Verstand aufgerufen sich zu engagieren und unsere freiheitliche Grundordnung zu verteidigen. Wir haben das Glück, dass wir in Rheinau gut mit solchen Verteidigern ausgestattet sind. Sie sind engagiert in Vereinen, bei der Feuerwehr, beim Helferkreis und in der Jugend- und Seniorenarbeit. Der Wert dieser ehrenamtlichen Arbeit ist nicht in Euro zu beziffern.
Fakt ist aber, dass es schnell finanzielle Auswirkungen hätte, wenn diese „Kümmerer“ sich zurückziehen würden. Das wird sofort deutlich, wenn man die Überlegungen des Bundes betrachtet, einen Einsamkeitsbeauftragten zu installieren, der Gleichgesinnte zusammenbringen und zu Aktivitäten motivieren soll.
Wir danken daher allen, die in unserer Stadt Verantwortung übernehmen, für unsere Sicherheit sorgen, unsere Stadt durch ihr Wirken attraktiver und damit diese komplexe Welt etwas besser machen. Diese Personen sollen uns weiterhin als verlässliche Partner an ihrer Seite wissen. Die Ausgaben, die der Haushalt für die Feuerwehrausstattung und die Vereinsförderung vorsieht, sehen wir als wichtig an.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, heute entscheiden wir nicht nur über ein reines Zahlenwerk. Wir legen einen weiteren Grundstein für die Zukunft unserer Stadt und für das Funktionieren unseres Gemeinwesens.
Der Schutz des Gemeinwesens ist gerade ein besonderer Auftrag für alle Entscheidungsträger. Deshalb danken wir dem Team des Hauptamts, das in diesen Tagen mit der Koordination der Corona-Krise vor Ort viele zusätzliche Aufgaben übernimmt.
Die Vorbereitungen dieses Haushalts waren für die Verwaltung arbeitsintensiv. Investitionskosten sind zu ermitteln, Konzepte zu liefern und der Haushaltsplan ist detailliert und transparent darzustellen. Hierfür und auch für die stetige Bereitschaft Fragen zu beantworten und Sachverhalte zu erläutern, bedanken wir uns beim gesamten Verwaltungsteam.
Ihnen, Herr Bürgermeister, den Amtsleitern und den Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktionen danken wir für viele zielgerichtete Diskussionen und intensive Beratungen.
Es gibt viel zu tun – unsere Fraktion wird weiterhin mit aller Kraft daran mitwirken mit Ihnen allen und gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern Rheinau positiv zu gestalten.
Dem Haushaltsplan und den Wirtschaftsplänen stimmen wir zu.
Bleiben Sie gesund !